6.51007 Kletterstruktur 07

Richter Nachhaltigkeitsfahrplan

Lebenszyklusanalyse - Ökobilanz eines Spielplatzes

Das globale Bewusstsein für Umweltfragen wächst mit jedem Tag, und jeder hat seinen Beitrag zu leisten: die auf dem Markt agierenden Player ebenso wie Verbraucher und öffentliche Stellen. Die Richter Spielgeräte GmbH hat sich das Thema Nachhaltigkeit schon immer zur Aufgabe gemacht, vor allem mit der Entscheidung, für ihre Spielplatz- und Spielgeräte den natürlichsten aller Werkstoffe zu verwenden: Holz.

Als Rohmaterial nutzt das Unternehmen fast ausschließlich Larix decidua aus den Alpen, und seit Oktober 2001 wird nur noch Holz mit PEFC-Zertifizierung nach EN 45011 verarbeitet. Diese Zertifizierung gewährleistet, dass die Wälder, aus denen das Holz stammt, nachhaltig bewirtschaftet werden, um biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsfähigkeit, Vitalität und ökologisch-ökonomisch-soziale Funktionen zu erhalten. Zusätzlich hat die Firma Richter entschieden, das verwendete Holz nicht mit Imprägniermitteln zu behandeln.

Demetra, Vertriebs- und Montagepartner der Richter Spielgeräte GmbH in Italien, hat intern eine Sparte geschaffen, die sich mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen befasst (DENVA). Dabei ist ein neues Ziel entstanden: die Berechnung der Umweltauswirkungen, die mit einer werksgefertigten Struktur verbunden sind.  
Im Einvernehmen mit Demetra und in Zusammenarbeit mit der Universität Mailand (Politecnico) wurde eine Lebenszyklusanalyse (engl. Life Cycle Assessment, LCA) durchgeführt, und als Spielgerät wählte man die Kletterstruktur 06 (Abb. 1). Dieses Gerät ist im Park Aldo Moro in Agrate Brianza (Monza und Brianza) aufgestellt und wird im Folgenden als CS06 bezeichnet.

Eine LCA ist eine quantitative Methodik zur Einschätzung der mit allen Lebensphasen eines Produktes verbundenen Umweltauswirkungen: von der Rohstoffgewinnung über Materialverarbeitung, Herstellung, Vertrieb und Verwendung bis hin zum Entsorgungs- bzw. Recyclingprozess. Bei einer LCA geht es im Wesentlichen darum, die für die wichtigsten Auswirkungen verantwortlichen Phasen herauszuarbeiten, so dass anschließend Strategien zur Minimierung der Auswirkungen des gesamten Prozesses auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit ermittelt werden können. Die LCA-Studie wurde gemäß den Anforderungen der beiden internationalen ISO-Normen ISO 14040:2006 und ISO 14044:2006 durchgeführt, in denen die korrekte, gemeinsame Methodik definiert ist. Darüber hinaus wurde eine weitere europäische Norm, die UNI EN 15804, verwendet, in der ein Pfad für die Verwaltung der Ökobilanzen von Bauprodukten skizziert wird – eine Kategorie, in die die CS06 aufgenommen werden kann.

Die Analyse der Kletterstruktur CS06 zielte darauf ab, alle wesentlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit zu untersuchen und sämtliche Phasen des Lebenszyklus abzudecken: von der Produktion im Werk bei der Richter Spielgeräte GmbH in Frasdorf bis zur Montage der CS06 auf einer italienischen Baustelle (Abb. 2) unter Berücksichtigung möglicher Demontageszenarien.

Den oben genannten Normen gemäß liegt der Studie eine „Cradle to Grave“-Perspektive zugrunde, bei der die betrachteten Prozesse sich in 3 Hauptphasen unterteilen lassen, die innerhalb der betrachteten Systemgrenzen liegen  (Abb. 3).

Für viele der Hauptprozesse (insbesondere der CORE-Phase) standen direkt gemessene Daten zur Verfügung, so dass die durchgeführte Bewertung ein hohes Maß an Zuverlässigkeit bietet; bei Daten, die sich nicht direkt ermitteln ließen, wurde auf Datenbankdaten zurückgegriffen. Direkt gemessen wurde zum Beispiel die Materialzusammensetzung der CS06 hinsichtlich Menge, Gewicht und Herkunft. Das nach PEFC zertifizierte Holz Larix decidua macht 82,85 % des Gewichts der Gesamtmasse der Struktur aus (Abb. 4). Es wird nur minimal behandelt, bevor es für den Bau des Spielplatzes verwendet wird.

Der Einfachheit halber teilen wir wie unten beschrieben alle Phasen in 4 verschiedene Makrobereiche auf.

Die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde mithilfe einer speziellen Software namens Simapro und ihrer Datenbank Ecoinvent ermöglicht. Verschiedene Berechnungsmethoden (IPCC 2013 100a, ILCD, ReCiPe) mit relativen Indikatoren kamen zum Einsatz. Die Methoden und die aussagekräftigsten Auswirkungs-indikatoren werden im Glossar beschrieben; ihre Menge ist in der Erläuterung der jeweiligen Methode angegeben.

Das Treibhauspotential (eng. Global Warming Potential, GWP 100), ermittelt per IPCC-Methode, beträgt 6.644,16 kg CO2 eq und verteilt sich wie folgt (Grafik 1): 40,3 % der Gesamtmenge entfallen auf 7. Montage, vor allem aufgrund der Produktion und Einbringung von Beton; 33,4 % entfallen auf 6. Transport zum endgültigen Bestimmungsort, insbesondere wegen des Transports von Kies, der als Spielplatzbasis dient; 17,5 % der Auswirkungen sind auf 1. Produkte und Materialien zurückzuführen, insbesondere auf die Produktion der Stahlfüße, gefolgt vom flexiblem Netz und Lärchenholz. Bei der Ermittlung des CO2 eq-Werts nach einer anderen Methode ergibt sich eine Differenz von unter 0,5 %, so dass der ermittelte Wert als korrekt angesehen werden kann.

Im Folgenden werden die relevanten Auswirkungskategorien beschrieben, die sich aus der ILCD-Methode ergeben. Die Trends hinsichtlich Süßwasser-Ökotoxizität, Versauerung und photochemischer Ozonbildung sind die gleichen wie beim GWP: Die Auswirkungen von 7. Montage, 6. Transport zum endgültigen Bestimmungsort und 1. Produkte und Materialien übersteigen zusammen 90 % der Gesamtmenge; der Unterschied besteht darin, dass hier Stahl und Aluminium die stärksten Auswirkungen zugeordnet werden. Eine weitere wichtige Kategorie sind die Auswirkungen der Landnutzung: hier trägt Phase 7. Montage mit einem Prozentsatz von 92,2 % den größten Teil der Verantwortung (Grafik 2). Dies ist plausibel, weil für den Bau des Spielplatzes Land in Anspruch genommen wurde.

Betrachtet man die ReCiPe-Methode, so ist zu betonen, dass die 3 kritischen Phasen wiederum diejenigen sind, die auch bei der Humantoxizität die größten Auswirkungen verursachen, jedoch in anderer Reihenfolge: Auf 6. Transport zum endgültigen Bestimmungsort entfällt ein Anteil von 46,8 %, auf 1. Produkte und Materialien ein Anteil von 31,9 % und auf 7. Montage ein Anteil von 16 % (Grafik 3). Hervorzuheben ist außerdem, dass die Holzproduktion in der ersten Phase einen gewissen Anteil an Nutzung landwirtschaftlicher Fläche erfordert und dass bei der Metallproduktion ein erheblicher Wasserverbrauch zu verzeichnen ist.

Abschließende Überlegungen zu den erzielten Ergebnissen:

  • Transporte, insbesondere jene zum endgültigen Bestimmungsort, sind in fast allen Kategorien für die Gesamtauswirkungen hauptverantwortlich. Ausnahmen sind die Auswirkungen der Landnutzung, da die Nutzung des Bodens dort zugeordnet wird, wo die Kletterstruktur errichtet wird, sowie der Wasser- und Rohstoffverbrauch, bei dem die größten Auswirkungen von der Materialproduktion ausgehen.
  • Die Produktionsphase der CS06 trägt in der Mehrzahl der Kategorien mit etwa 20 % zur Gesamtauswirkung bei.
  • Für jede Auswirkungskategorie und bei allen betrachteten Methoden tragen die Ende-der-Lebensdauer-Phasen (Makrobereich 4) vernachlässigbar wenig zu den Auswirkungen des Systems bei.

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen sind die wesentlichen Verbesserungsspielräume bei der Umweltverträglichkeit des Produktes durch eine Optimierung des Transports möglich. Insgesamt verursacht das Gerät jedoch angesichts der langen Lebensdauer (15 Jahre) einen relativ niedrigen Kohlenstoff-Fußabdruck.

Bibliographie
  • ISO 14040: 2006 Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen
  • ISO 14044:2006 Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Richtlinien
  • Ökobilanz eines Spielplatzes: Im Fall der Kletterstruktur aus Holz von der Richter Spielgeräte GmbH – Giovanni Dotelli, Guido Scaccabarozzi. 2017
Glossar

Cradle to Grave: Perspektive auf die durch ein Produkt bzw. eine Aktivität verursachte Umweltbelastung vom Beginn des Lebenszyklus bis zum Ende bzw. bis zur Entsorgung

Systemgrenzen: Grenzen, innerhalb derer sich bestimmen lässt, welche Einheitsprozesse in die LCA-Studie aufgenommen werden sollen

IPCC 2013: Vom Intergovernmental Panel on Climate Change (Weltklimarat) entwickelte Methode; einzige Auswirkungskategorie ist das Treibhauspotential (GWP).

ILCD: Von der Europäischen Kommission über die Gemeinsame Forschungsstelle entwickelte Methode; sie umfasst 16 Kategorien der Folgenabschätzung.

ReCiPe: Bewertung von 18 Midpoint- und 3 Endpoint-Auswirkungskategorien; Midpoint-Indikatoren konzentrieren sich auf einzelne Umweltprobleme, z. B. Klimawandel oder Versauerung; Endpunkt-Indikatoren zeigen die Umweltbelastung auf drei übergeordneten Aggregationsebenen.

Treibhauspotential (engl. Global Warming Potential, GWP 100): Treibhausgasmengen werden normalerweise in kgCO2-eq ausgedrückt und durch eine Standardisierungsoperation auf der Grundlage des globalen Treibhauspotenzials jedes Treibhausgases ausgedrückt: Die Berechnung erfolgt unter Berücksichtigung des jeweiligen Strahlungsabsorptionsvermögens und der Zeit des Verbleibs in der Atmosphäre. GWP 100 ist der Beitrag zum Klimawandel in kg des CO2 Äquivalents bezogen auf 100 Jahre.

Süßwasser-Ökotoxizität: Vergleichende Einheit der Ökosystem-Toxizität, ausgedrückt als potenziell betroffener Teil (eng. Potentially Affected Fraction, PAF) pro Volumeneinheit über die Zeit pro Masseneinheit der emittierten Chemikalie

Versauerung: Diese Auswirkungskategorie befasst sich mit den Auswirkungen der Versauerung, die durch die Emission von versauernden Chemikalien in der Luft verursacht werden. Versauerung bezieht sich buchstäblich auf Prozesse, die durch Wasserstoffionenkonzentration den Säuregrad von Wasser- und Bodensystemen erhöhen.

Photochemische Ozonbildung: Ausdruck des potenziellen Beitrags zur Bildung von photochemischem Ozon, bezogen auf Europa. Die negativen Auswirkungen der photochemisch erzeugten Schadstoffe entstehen durch ihre reaktiven Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, organische Moleküle auf den Oberflächen, die ihnen ausgesetzt sind, zu oxidieren.

Landnutzung: Die Auswirkungskategorie Landnutzung spiegelt die Schädigung von Ökosystemen durch die Auswirkungen von Landnutzung und -umwandlung wider. Die Auswirkungen auf die biologische Vielfalt (Biodiversität) werden in dieser Kategorie nicht berücksichtigt.

Humantoxizität: Diese Kategorie betrifft die Auswirkungen toxischer Substanzen auf die Umgebung des Menschen. Gesundheitsrisiken der Exposition in der Arbeitsumgebung sind nicht eingeschlossen.

Nutzung landwirtschaftlicher Flächen: Größe der landwirtschaftlichen Fläche, die für eine bestimmte Zeit beansprucht wird

Abbau von Wasserreserven: Wasserverbrauch in Kubikmeter – basierend auf den Charakterisierungsfaktoren nach Swiss Ecoscarcity 2006

Autoren

Caterina Villa, Landschaftsarchitektin und Umweltwissenschaftlerin, ist immer engagiert bei Themen, die mit Umwelt, Natur, Landschaft zu tun haben, und  stets auf der Suche nach der richtigen Kombination aus Elementen zur Schaffung belastbarer und nachhaltiger Gebiete, in denen im Gleichgewicht der natürlichen Ressourcen, der Geselligkeit und der Entwicklung menschlicher Aktivitäten Synergieeffekte entstehen. Caterina Villa arbeitet seit 2017 bei Demetra.

Guido Scaccabarozzi, Umweltingenieur. Seine Leidenschaft für Umweltfragen motiviert ihn, die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt zu untersuchen, und zwar mit Hilfe seiner Fähigkeiten im Bereich der Ökobilanzierung und der Bewertungsmethoden der Kreislaufwirtschaft. Guido Scaccabarozzi glaubt an ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur und unterstützt Unternehmen, Universitäten und NGOs bei der Suche nach dieser Symbiose. Er arbeitet seit 2014 bei Demetra.

Giovanni Dotelli, ordentlicher Professor für Materialwissenschaft und -technologie an der Fakultät für Materialchemie und Chemieingenieurwesen „G Natta“ – Polytechnikum Mailand. Giovanni Dotelli schloss 1989 sein Studium des Chemieingenieurwesens cum Laude ab und promovierte 1993 am Polytechnikum in Mailand in Materialwissenschaften. Seit 1994 lehrt er an der Universität und unterrichtet auch im Doktoratskurs  „Nachhaltigkeitskennzahlen, Ökobilanz und ökologischer Fußabdruck“ des Politecnico di Milano. Giovanni Dotelli ist verantwortlich für das Forschungslabor Mat4En2 (Materialien für Energie und Umwelt).